10 Thesen zur Sicherheit und den Zukunftschancen im europäischen Straßengüterverkehr 2026
Warum Cybersecurity zur Schlüsselherausforderung wird und wie Digitalisierung, Fahrermangel und Marktveränderungen die Transportbranche prägen.
In 10 Thesen beschreibt Gunnar Gburek, Head of Business Affairs bei TIMOCOM, die wichtigsten Trends und Entwicklungen der Transportbranche 2026.
Der Straßengüterverkehr steht 2026 vor tiefgreifenden Herausforderungen – nicht nur bei Personal, Kosten und Verwaltung, sondern vor allem in puncto Sicherheit. Cyberangriffe und digitale Betrugsmethoden bedrohen die gesamte Branche und machen IT-Sicherheit zum zentralen Erfolgsfaktor. Neue Technologien schaffen neue Chancen, dem Fachkräftemangel und administrativen Mehraufwänden zu begegnen. Dieser Überblick fasst 10 zentrale Thesen von Gunnar Gburek, Head of Business Affairs beim FreightTech-Unternehmen TIMOCOM zusammen und zeigt, welche Entwicklungen den europäischen Transportmarkt 2026 prägen werden.
1. Cybersecurity im Straßengüterverkehr: Die unterschätzte Gefahr wird zur branchenweiten Priorität
Die Digitalisierung hat auch die Gefahr von Cyberangriffen im Straßengüterverkehr erhöht. Insbesondere kriminelle Methoden wie Phishing und Identitätsbetrug durch sogenannte Phantom-Frachtführer stiegen 2025 laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) deutlich an. Die Ziele können unterschiedlich sein: von der Erpressung von Lösegeldern bis hin zum Diebstahl von Unternehmensdaten oder kompletten Ladungen. Dieser Trend könnte sich 2026 noch verstärken. Mithilfe von KI werden die Methoden immer raffinierter und schwieriger zu erkennen. Besonders kritisch ist die Kommunikation mit unbekannten, vermeintlich neuen Geschäftspartnern per E-Mail. E-Mail-Kommunikation birgt nicht nur hier hohe Risiken, da sie anfällig für Phishing und Manipulation ist. Denn Einfallstore sind oft die eigenen Mitarbeiter, die z.B. unbedacht einen Link oder Anhang einer E-Mail öffnen. Nachhaltige IT-Sicherheit ist unerlässlich, doch ein hundertprozentiger Schutz ist selten möglich. Die Transportbranche wird deshalb das Thema Cybersicherheit und die Sensibilisierung von Mitarbeitenden oben auf ihre Agenda setzen.
2. Fahrer- und Fachkräftemangel: Künstliche Intelligenz greift unter die Arme
Neben der Sicherheit bleibt die Personalfrage eine der größten Herausforderungen. Europaweit herrscht ein dramatischer Mangel an qualifizierten Lkw-Fahrern und Disponenten. Die IRU meldet rund 3,6 Millionen unbesetzte Fahrerstellen weltweit, in Europa über 420.000. Das Durchschnittsalter von ca. 44,5 Jahren und nur rund 6,5 % unter 25 Jahren wird das Problem verschärfen. Die TIMOCOM Frachtenbörse registrierte 2024 einen Rückgang um etwa 12 % bei den Laderaumangeboten, bis einschließlich Oktober 2025 waren nochmals 4,5 % weniger LKW im Angebot – ein deutlicher Beleg für die rückläufigen Transportkapazitäten. Neue technische Möglichkeiten wie AI Agents und Voicebots werden die Logistik und den Straßengüterverkehr 2026 verstärkt entern und zum Einsatz kommen, u.a. zur automatisierten Verhandlung von Frachtangeboten und den Transportpreisen. KI wird das Personal unterstützen, und so fehlende Ressourcen kompensieren, aber noch nicht die Fahrerkabine übernehmen.
3. Beim autonomen Fahren preschen die USA vor, Europa bleibt im geschlossenen Werksumfeld stecken
2026 wird autonomes Fahren in den USA spürbar an Fahrt aufnehmen – vor allem auf definierten, wiederkehrenden Relationen zwischen Distributionszentren oder Produktionsstandorten. Klare regulatorische Rahmenbedingungen, offene Testkorridore und ein hoher Automatisierungsgrad in der Logistikinfrastruktur beschleunigen dort den Praxiseinsatz. In Europa hingegen bleibt autonomes Fahren weitgehend auf betriebseigene Areale und nicht-öffentliche Straßen beschränkt. Strengere Zulassungsverfahren, fragmentierte Rechtsräume und hohe Sicherheitsanforderungen bremsen die Entwicklung aus. Weil das Umfeld so schwierig ist, hat sich das führende Start-Up für autonomes Fahren in Europa kürzlich aus dem Logistiksektor zurückgezogen und der Rüstungsindustrie zugewandt. Hier scheinen eher genügend finanzielle Mittel für die weitere Entwicklung vorhanden zu sein. Einen marktreifen zivilen LKW, der autonom fahrend auf öffentlichen Straßen in Europa unterwegs ist, werden wir in den kommenden Jahren wohl kaum zu sehen bekommen.
4. Kapazitätsmangel bremst Aufschwung: Ein Teufelskreis aus Ineffizienzen
Der Kapazitätsmangel im Straßengüterverkehr resultiert aus struktureller Inflexibilität. Starre Zeitfenster, Beiladungsverbote und rigide Rampenprozesse verhindern eine effiziente Auslastung bestehender Flotten. Diese Strukturen stammen aus dem Käufermarkt vergangener Jahrzehnte und hemmen heute Effizienz und Wachstum. Mehr Flexibilität in der Planung und Abwicklung könnte mehr Kapazitäten freisetzen, Touren optimieren und Straßen entlasten. Ohne Anpassung droht bei wirtschaftlichem Aufschwung ein Teufelskreis: Steigt die Nachfrage, kommen mehr Lkw auf die Straßen, was zu mehr Verkehr, Staus und längeren Fahrzeiten führt – und erneut zusätzliche Kapazitäten nötig macht. Effizienz entsteht durch bessere Organisation – nicht durch mehr Fahrzeuge. Deshalb sollten auch Handels- und Industrieunternehmen mehr Flexibilität in der Zeitfenstergestaltung und Vorgaben wie Beiladungsverbote überdenken. Denn dies erschwert die Tourenplanung und verhindert eine effiziente Auslastung des vorhandenen Fuhrparks, was eine Voraussetzung für das Überleben der Transportunternehmen ist. Dieser Teufelskreis erscheint aktuell aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation gestoppt. 2026 wird er die Lieferketten wieder spürbarer beeinflussen.
5. Insolvenzen aufgrund hoher Kosten: Kleine Frachtführer besonders gefährdet
Unter hohem Kostendruck mussten 2025 viele kleine Transportunternehmen aufgeben. Die Transport- und Logistikbranche ist laut Creditreform Rating besonders stark von Kreditausfällen betroffen. Auch 2026 wird sich die Marktbereinigung in der europäischen Transportbranche fortsetzen, wenn auch mit geringerer Dynamik als 2025. Die Insolvenzen im Straßengüterverkehr werden weiterhin durch hohe Personal-, Energie- und Betriebskosten getrieben. Besonders betroffen sind kleine und mittlere Frachtführer mit geringer Kapitaldecke und einem begrenzten Netzwerk. Viele können gestiegene Fixkosten trotz stabiler Transportpreise nicht kompensieren, da größere Speditionen vermehrt Direktaufträge und Spotmarktanteile übernehmen. Hinzu kommen verschärfte ESG- und Compliance-Anforderungen, die zusätzliche Bürokratie und Kosten verursachen. Die Folge: weitere Marktkonsolidierung, sinkende Transportkapazitäten und steigende Frachtraten – ein struktureller Engpass, der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Logistik schwächt.
6. Steigende Transportpreise: Das Kräfteverhältnis verändert sich drastisch
Die Personalknappheit führt unweigerlich zu Engpässen, einer höheren Nachfrage nach den verbliebenen Kapazitäten und so zu höheren Kosten. TIMOCOM meldete im Herbst 2025 eine Steigerung der Spotmarktpreise von rund 8 % gegenüber dem Vorjahr. Die Energiepreise sowie CO₂-Abgaben üben zusätzlichen Druck auf die Tarife aus, ergänzend zu saisonalen Spitzen im Transport. Die Schere zwischen den Auftraggeber-Preisen und den Gegenangeboten der Auftragnehmer liegt nicht mehr so weit auseinander. Die Spotmarktpreise, für die die Verlader einen Transportdienstleister finden, können gut eingeschätzt werden. Der Wandel vom Käufer- zum Verkäufermarkt ist längst vollzogen, dennoch wird der Konkurrenzkampf bei den Dienstleistern um die lukrativsten Aufträge anhalten und zu Schwankungen bei den Preisen führen. Insgesamt werden sie voraussichtlich aber auf dem bisherigen Niveau verbleiben.
7. Energiepreise und Vertragssicherheit: Volatile Rahmenbedingungen bleiben
Trotz zahlreicher Unwägbarkeiten blieben Diesel- und Energiepreise 2025 vergleichsweise stabil und etwas unter dem Vorjahresdurchschnitt. Ein temporärer Preissprung im Juni durch geopolitische Konflikte zeigte aber die anhaltende Volatilität. Der anschließende Rückgang zeigte kurzfristige Entlastung, doch wirtschaftliche und politische Krisen können Preise schnell wieder nach oben treiben. Vor diesem Hintergrund werden auch 2026 Preisvariablen, Diesel-Floater und flexible Vertragsmodelle zu zentralen Instrumenten der Risikominderung gehören. Gleichzeitig erhöhen der gestiegene CO₂-Preis sowie Strom- und Gaspreise den Druck auf Margen, insbesondere bei Speditionen mit langfristigen Rahmenverträgen. 2026 wird Vertragssicherheit zum Wettbewerbsfaktor – Unternehmen, die ihre Vertragsmodelle nicht flexibilisieren, riskieren Margen- und Wettbewerbsverluste.
8. Elektrifizierung im Straßengüterverkehr gewinnt an Fahrt, Wasserstoff verliert an Bedeutung, HVO bleibt Brückentechnologie
2026 markiert den Übergang von der Pilotphase zur schrittweisen Integration alternativer Antriebe. Der Straßengüterverkehr wird sich deutlich in Richtung batterieelektrischer Antriebe bewegen. Auch im kommenden Jahr werden Elektro-LKW über 12t nach wie vor im regionalen Verteilerverkehr sowie auf planbaren Rundtouren eingesetzt. Im klassischen nationalen wie internationalen Straßengüterverkehr – sogenannte Trampverkehre – werden diese Fahrzeuge aufgrund mangelnder Infrastruktur noch keine Verwendung finden. Wasserstoff verliert als alternative Antriebstechnologie an Relevanz – vor allem aufgrund fehlender Tankinfrastruktur, hoher Kosten und geringerer Energieeffizienz.
Parallel setzen viele Transportunternehmen auf paraffinische Ersatzkraftstoffe wie HVO100, um kurzfristig CO₂-Reduktionsziele zu erreichen. Der Einsatz synthetischer E-Fuels bleibt dagegen vorerst Nischenlösung, da Produktionskapazitäten und Verfügbarkeit in Europa weiterhin gering sind.
9. Schienenverkehr stagniert und kombinierter Verkehr wieder am Anfang
Die Verkehrsverlagerung auf die Schiene stagniert europaweit. Der Straßengüterverkehr bleibt damit auch 2026 dominant. Laut einer Umfrage des Bundesamts für Logistik und Mobilität (BALM) gaben zahlreiche Unternehmen an, dass schlecht koordinierte Baustellen, Kapazitätsengpässe im Schienennetz und unzureichende Terminalinfrastruktur Hauptgründe dafür sind, dass der KV nicht weiterwächst. Ein Problem ist auch, dass die Verladeprozesse für nichtkranbare Trailer stark variieren oder gar nicht vorhanden sind. Hinzukommen Engpässe in den Terminals und limitierte Korridorkapazitäten, die deutliche Wachstumsimpulse verhindern. Außerdem hat die EU-Kommission die Richtlinie für den kombinierten Verkehr nach fast zwei Jahren Verhandlung zurückgezogen. Man steht hier also wieder fast am Anfang. Es ist davon auszugehen, dass 2026 die Schienenverkehre weiter darunter leiden und rückläufig sein werden.
10. Bürokratieabbau nicht in Sicht: KI-Agenten werden Disponenten entlasten
Viele Transportunternehmen verbringen mehr Zeit mit Dokumentation, Nachweispflichten, CO₂-Reporting und Genehmigungen als mit der eigentlichen Dienstleistung. Medienbrüche, doppelte Datenerfassung, fehlende Standards und unklare Verantwortlichkeiten erschweren den Alltag zusätzlich. Die Bürokratie wächst, aber Prozesse, Systeme und Ressourcen wachsen nicht im gleichen Tempo mit. Davon auszugehen, dass trotz löblicher Initiativen zum Bürokratieabbau 2026 auch nur eine Anforderung wegfällt, wäre naiv. Von daher müssen sich vor allem Transportverbände dafür einsetzen, dass langfristig zentrale barrierefreie Zugänge zu den Datentöpfen in ganz Europa geschaffen werden. Bis dahin wird die Herausforderung vor allem darin bestehen, intelligente Lösungen wie KI-Agenten zu entwickeln, die in der Lage sind, die notwendigen Daten aus zahlreichen Quellen zusammenzutragen, zu bewerten und zu dokumentieren.
Fazit: Sicherheit und Vernetzung als Fundament für den Erfolg
Der europäische Straßengüterverkehr befindet sich in einem dynamischen Umbruch: Neben dem dauerhaften Fahrermangel treiben steigende Preise und Insolvenzen die Branche um. Doch vor allem die Herausforderungen der Digitalisierung wie die steigende Cybercrime-Gefahr erfordern neue Standards für den Betrieb.
Hier werden unabhängige, digitale Plattformen im Straßengüterverkehr zunehmend eine entscheidende Rolle spielen. Denn vor allem für die mehrheitlich kleinen und mittelständischen Unternehmen sind eigene technische Lösungen mit hohen Kosten und personellem Aufwand verbunden.
Etablierte und unabhängige Plattformen sind mehr als nur Marktzugänge: Sie bieten Sicherheitsmechanismen, wie strenge Authentifizierungsverfahren, kontinuierliche Überwachung und verschlüsselte Kommunikation und fungieren als ein Sicherheitsnetzwerk in einer komplexen digitalen Welt.
Wachsamkeit und kritische Prüfungen von neuen Dienstleistern sollten dennoch beibehalten werden. Man kann Risiken minimieren, sie ganz auszuschließen ist in der volatilen und sich schnell verändernden digitalen Welt kaum möglich. Wer die modernen Werkzeuge nutzt und IT-Sicherheit als strategische Aufgabe begreift, stellt heute die Weichen für nachhaltigen Erfolg.
Mehr Hintergrundinformationen mit Zahlen, Daten und Fakten stehen Interessenten hier zum Download zur Verfügung.