TIMOCOM 26.10.2023
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Der wachsende Kostendruck und der anhaltende Personalmangel vereinen die Branche

Interview mit Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV

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Frank Huster ist seit 2013 Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik in Berlin. In dieser Funktion ist der Diplom-Volkswirt und gelernte Speditionskaufmann Mitglied in verschiedenen Gremien des Europäischen Speditionsdachverbands CLECAT und des Weltspeditionsverbands FIATA. Darüber hinaus ist Frank Huster in Gremien verschiedener Bundesministerien tätig. In unserem Interview lässt er seine persönlichen Meilensteine Revue passieren und geht auf aktuelle Herausforderungen in der Transportbranche ein. Für Logistikunternehmen sieht er den qualitativen Digitalisierungsgrad als entscheidend.

"Der DSLV ist ein Scharnier zwischen Politik und Wirtschaft. Wir versuchen stets, die Genese einer neuen Rechtsvorschrift aktiv zu begleiten und nicht erst zu reagieren, wenn der Referentenentwurf in die Verbändeanhörung geht." Frank Huster, Hauptgeschäftsführer DSLV

Herr Huster, Sie sind bereits seit über 30 Jahren in Verbänden und Interessenvertretungen der Speditions- und Logistikbranche aktiv. Was waren für Sie in dieser Zeit besondere persönliche Meilensteine und welche haben den DSLV maßgeblich geprägt?

In so vielen Jahren sind meine persönlichen Meilensteine mit denen des Verbands natürlich eng verknüpft. Man muss hier unterscheiden zwischen strukturellen, d. h. internen Veränderungen und politischen Themen. Ein Bundesverband wie der DSLV, der die verkehrsträgerübergreifenden Interessen der 3.000 führenden deutschen Speditionshäuser und Logistikdienstleister sowie die regionalen Interessen seiner 16 Landesverbände vertritt, könnte man mit einer großen Volkspartei – zumindest wie es sie einmal gab – vergleichen. 

Es ist eine ständige Herausforderung, diese – zum Teil divergierenden Interessen, die sich u. a. aus der Stellung des Spediteurs als Logistiker, Verkehrsarchitekt und Auftraggeber einerseits und als Transport-Operateur mit eigenen Fahrzeugflotten andererseits ergibt – zu einer Positionierung zusammenzuführen. Aber diese heterogenen Sichtweisen erlauben uns auch einen differenzierten Blick, z. B. auf Gesetzesvorhaben und deren Auswirkungen auf die Logistik als Ganzes. 

Ich wurde 1992 als Referent für Umweltfragen eingestellt. Der damalige Bundesverband Spedition und Lagerei (BSL), ein Rechtsvorgänger des DSLV, war einer der ersten Verkehrsverbände, der diesen Schritt ging. Damals z. T. noch begleitet von internen Widerständen, heute eine der wichtigsten Aufgaben für uns. Dieses spannende Thema hat mich auch auf das EU- und UN-Parkett geführt und fordert mich auch in meiner heutigen Funktion als Hauptgeschäftsführer. 

Die sich wiederholenden Bahnreformen, die Infrastrukturfinanzierung und die vielfältigen Themen der Arbeits-, Tarif- und Sozialpolitik sind neben vielen anderen Themen ebenso wichtige Begleiter meiner täglichen Arbeit. Intern fordernd für mich war besonders die verbandliche Neustrukturierung als Ergebnis eines mehr als zehn Jahre dauernden Fusionsprozess des damaligen BSL mit der Vereinigung der Kraftwagenspediteure. Das Ergebnis ist der heutige DSLV mit fünfzehn fachspezifischen Ausschüssen. Nicht zu vergessen natürlich die seinerzeitig überfällige Sitzverlegung von Bonn nach Berlin.

 

Für viele Ihrer Mitgliedsunternehmen sind die Veränderungen der MAUT und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) bestimmt heiß diskutierte Themen. Welches sind dabei die größten Herausforderungen für Speditionen und die Transportbranche in Deutschland?

Mit 7,62 Mrd. Euro führt das dritte Mautänderungsgesetz zu einem drastischen Kostensprung im Straßengüterverkehrssektor. Trotz besseren Wissens ignoriert die Bundesregierung das derzeit sehr schwierige Marktumfeld in einer von einem allgemeinen Kostenanstieg begleiteten rezessiven Phase. Schlechter hätte man den Zeitpunkt für eine CO₂-Maut kaum wählen können, zumal die Speditionshäuser diesem Kostendruck derzeit nicht ausweichen können, indem sie auf alternative Antriebe setzen oder signifikante Gütermengen schnell auf die Schiene verlagern. Die Herausforderung besteht also darin, die steigenden Kosten am Markt zu überwälzen – in einer Zeit rückläufiger Transportnachfrage. Und anstatt zu entbürokratisieren, steigt die Last der staatlichen Auflagen weiter. 

Die unreflektierte Delegation hoheitlicher, d. h. staatlicher Kontrollaufgaben auf die Wirtschaft halte ich grundsätzlich für bedenklich. Das LkSG definiert seinen Schutzzweck eher unpräzise. Wichtig zu verstehen ist, dass das LkSG eine „Bemühenspflicht“ regelt und keine „Erfolgshaftung“. Zu ergreifende Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt der Angemessenheit und auch nur in Fällen zuvor identifizierter Risiken. Plattformen wie TIMOCOM können hier eine wichtige Filterfunktion erfüllen. Eine regelmäßige Überprüfung der Vertragspartner durch Audits oder Betriebsbesichtigungen, wie dies vielfach suggeriert wird, ist gerade nicht gefordert. Ansonsten würde sich das Gesetz  zu einem weiteren Bürokratiemonster auch für solche Unternehmen entwickeln, die vom eigentlichen Anwendungsbereich gar nicht erfasst sind.

 

Wie unterstützt der DSLV seine Mitglieder bei der Bewältigung dieser Herausforderungen?

Der DSLV ist ein Scharnier zwischen Politik und Wirtschaft. Wir versuchen stets, die Genese einer neuen Rechtsvorschrift aktiv zu begleiten und nicht erst zu reagieren, wenn der Referentenentwurf in die Verbändeanhörung geht. Eine unserer Kernaufgaben ist es, dazu beizutragen, parteipolitisch geprägte Zielsetzungen, die sich ja aus den Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag, aber auch aus EU-Recht ergeben, im Interesse unserer Mitgliedsunternehmen in eine praxisgerechte Gesetzgebung zu gießen. Dies machen wir u. a. im Zollrecht, im Bereich der Sicherheitsgesetzgebung, im Arbeits- und Sozialrecht, im Umwelt- und Gefahrgutrecht und natürlich bei sämtlichen verkehrsträgerspezifischen Vorschriften, um nur einige von unseren Lobbyhandlungsfeldern zu nennen. 

Ich muss es leider so sagen: Bei der Mautgesetzgebung haben unsere Argumente, die wir im Verbund mit vielen anderen Verbänden vorgetragen haben, nicht gewirkt. Wir sind hier vor eine Wand der Ignoranz gelaufen. Aber unabhängig davon, wie erfolgreich unser Lobbying ist – unsere zweite Kernaufgabe ist die Hilfestellung bei der praktischen Umsetzung eines neuen Gesetzes durch präzise und rechtzeitige Informationen und eine Art „Übersetzung“ einer nicht immer nachvollziehbaren und leicht lesbaren Rechtsvorschrift. Dies schließt auch den ständigen Kontakt und Austausch mit den nachgeordneten Bundes- und Vollzugsbehörden und Stellen wie das BALM, das UBA, das BAFA, das LBA oder auch TollCollect mit ein, die mit der Umsetzung des Rechts zum Teil nicht minder überfordert sind.

 

Was würden Sie sich von den zuständigen Ministerien, Behörden und der Politik wünschen? Was sind Ihre Forderungen oder Appelle? 

Aktives Zugehen auf die Wirtschaftsverbände, viel mehr Transparenz und weniger aktionistischer Handlungsdruck. Warum ist es politisch wichtig, dass ein neues Gesetz erlassen wird? Welches politische Ziel wird konkret verfolgt? Kann die Wirtschaft dieses Ziel inhaltlich mittragen, kann sie es tatsächlich umsetzen und kann sie es finanzieren? Gleichzeitig muss dringend entbürokratisiert werden. Wirtschaft und Behörden ertrinken gleichermaßen in einer formalistischen und viel zu analogen Regelungsflut.

 

Welche Maßnahmen und Schritte empfehlen Sie Spediteuren für die nächsten Jahre? Wird zum Beispiel der Digitalisierungsgrad von Logistikunternehmen ein entscheidender Faktor für deren künftige Existenz am Transportmarkt sein?

Es gibt nicht DEN Spediteur und DEN Logistik- oder Transportmarkt, deshalb gibt es auch nicht DIE Empfehlung. Was alle Akteure der Branche ganz sicher eint, ist der wachsende Kostendruck und der anhaltende Personalmangel. Automatisierung, Digitalisierung und KI können diesen Negativtrends zumindest entgegenwirken. Dabei ist aber nicht der quantitative, sondern der qualitative Digitalisierungsgrad entscheidend. Ich kenne offen gestanden aber auch kein Speditionshaus, das seine Prozesse nicht längst fortlaufend auf Digitalisierbarkeit überprüft. Entscheidend wird aber die Qualität und der Motivationsgrad der Beschäftigten sein. Die Königsdisziplin im Strategieprozess der Logistik bleibt deshalb das HR-Management.

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Huster.

 

Dennis Erben

Senior Marketing Communications Manager

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