Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – zum aktuellen Stand
Gunnar Gburek von TIMOCOM über praktische Auswirkungen, Herausforderungen und geplante Reformen für die Speditionsbranche
Gunnar Gburek von TIMOCOM zum Lieferkettengesetz und dessen Folgen für Speditionen.
Das im Januar 2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hat in vielen Branchen für Verunsicherung gesorgt, auch unter Speditionen. Es soll Menschenrechte in globalen Lieferketten schützen. Die komplizierte Umsetzung jedoch drohte eingespielte Transportabläufe zu stören, was sich auch auf die Verbraucher auswirken würde. Die Kritik am Sorgfaltspflichtengesetz war unüberhörbar. Mittlerweile ist Bewegung in die Sache gekommen, das Gesetz soll zum Teil angepasst werden. Gunnar Gburek von TIMOCOM spricht im Interview darüber, wie Unternehmen den Anforderungen gerecht werden können und ihre Prozess-Effizienz wahren.
Wie wirkte sich das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nach Inkrafttreten am 1. Januar 2023 konkret auf Spediteure aus?
In erster Linie betraf das Gesetz Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. Die Mehrzahl der TIMOCOM Kunden lag jedoch unter dieser Marke. Aber: Die kleinen und mittleren Unternehmen wurden von größeren Unternehmen beauftragt. Wenn in diesem Fall die größeren Auftraggeber sicherstellen mussten, dass alle Partner in der Lieferkette menschenrechtskonform handelten, dann ging es auch um die Dienstleister, die eigentlich nicht LkSG-pflichtig waren. Die daraus entstandene Bürokratie drohte zu einer Belastung für Unternehmen zu werden und hätte letztendlich auch auf die Verbraucher zurückfallen können.
Laut verschiedener Studien, Medienberichte sowie Rückmeldungen aus der Wirtschaft zeigt das Lieferkettengesetz mittlerweile messbare Erfolge. Die Bundesregierung erwartet, dass sich diese noch weiter verstärken. Ist das LkSG damit bereits jetzt ein Erfolg?
Dass menschenrechtliche Standards in der gesamten Lieferkette zunehmend eingehalten werden, ist auf jeden Fall zu begrüßen. Dieser Effekt muss jedoch in Einklang gebracht werden mit der Situation der Unternehmen vor Ort. Es ging letztlich um die richtige Umsetzung des Lieferkettengesetzes. Für Unternehmen gestaltet sich das Prüfen von Transportdienstleistern, die nicht LkSG-pflichtig sind, nicht nur als kompliziert, sondern tatsächlich als nicht möglich. Es gab einfach keine richtige Regelung – und dennoch sollte geprüft werden. Doch das einfache Überprüfen von Audits und Zertifizierungen reicht nicht aus. Zudem: Wie soll man das bei ausländischen Fahrern machen? Deshalb begrüßen wir jetzt auch die Änderungsvorschläge der Bundesregierung.
Transparenz in der Lieferkette ist eine wichtige Voraussetzung für die Einhaltung gesetzlicher Sorgfaltspflichten. Erfahren Sie, wie Digitalisierung und Kommunikation Risiken minimieren und Compliance fördern.
Wie sehen die aktuellen Änderungsvorschläge genau aus?
Am 3. September 2025 hat das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf zur Änderung des LkSG in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Er sieht vor, zentrale Pflichten für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten zu entschärfen. Hier geht es vor allem um abgemilderte Berichtspflichten und Bußgeldtatbestände. Unternehmen sollen damit von administrativen Belastungen entlastet werden. Genau das, was wir bei TIMOCOM und die gesamte Wirtschaft bereits gefordert haben.
So soll die bestehende externe Berichtspflicht (§ 10 Abs. 2 bis 4 LkSG) rückwirkend zum 01.01.2023 ersatzlos gestrichen werden. Bestehen bleibt jedoch die Pflicht zur fortlaufenden unternehmensinternen Dokumentation der Erfüllung der Sorgfaltspflichten gemäß § 10 Abs. 1 LkSG und der Aufbewahrung der Dokumentation für mindestens sieben Jahre ab ihrer Erstellung. Auch die Bußgeldregelungen (§ 24 LkSG) sollen deutlich reduziert werden; Bußgelder sollen nur noch bei schwerwiegenden Verstößen gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten verhängt werden.
Trotz entschärfter Berichtspflichten: Welche praktischen Schritte können Spediteure unternehmen, um den Anforderungen des LkSG gerecht zu werden?
Ein effektives Risikomanagement-System ist unerlässlich. Dazu gehört das Erkennen von Risiken in der Lieferkette und die Überprüfung der Compliance der Partnerunternehmen. Vorlagen und Checklisten sind dabei hilfreiche Werkzeuge, um die notwendigen Schritte systematisch abzuarbeiten. Eine regelmäßige Kommunikation mit den Partnern ist ebenfalls entscheidend für Transparenz und Compliance.
Ein effektives Risikomanagement beginnt mit einer Risikoanalyse. Hier geht es darum, potenzielle Schwachstellen in der Lieferkette zu erkennen. Außerdem sollten Spediteure regelmäßig Audits bei ihren Subunternehmern durchführen. Die Dokumentation der Vorgänge ist wichtig – denn sie dient als Nachweis, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. Es ist sinnvoll, Schulungen für das Personal anzubieten, um Bewusstsein für diese Themen zu schaffen.
Gibt es bereits Best Practices oder Software, die Spediteuren helfen können, ihre LkSG-Compliance zu gewährleisten?
Ja, es gibt verschiedene Software und Plattformen, die speziell für die Transport- und Logistikbranche entwickelt wurden. Diese bieten Vorlagen und Checklisten, die Spediteuren helfen, ihre Compliance-Strategien im Rahmen des LkSG zu organisieren und zu überwachen. Ein effektives Tool kann die Dokumentation und Kommunikation mit Partnern erheblich erleichtern und somit die Einhaltung der Vorschriften vereinfachen.
Inwieweit hängt die deutsche Gesetzgebung mit entsprechenden Initiativen auf EU-Ebene zusammen?
Am 25. Juli 2024 ist die EU-Lieferkettenrichtlinie in Kraft getreten, im Original „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“, kurz CSDDD. Die EU-Staaten müssen sie bis Juli 2027 umgesetzt haben. Damit soll die deutsche Regelung dann ersetzt werden. Der Koalitionsvertrag sieht eine bürokratiearme und vollzugsfreundliche Umsetzung der CSDDD vor.
Zu diesem Zweck soll das LkSG perspektivisch durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung ersetzt werden. Für die Übergangszeit soll das LkSG angepasst werden und genau dies ist nun auf den Weg gebracht. Die Änderungen werden dabei helfen, menschenrechtliche Standards in der Lieferkette zu etablieren, und zwar so, dass dies von Unternehmen und Logistikdienstleistern auch umsetzbar ist.
Warum wir über Logistik schreiben? Weil wir seit über 25 Jahren Fracht und Laderaum zusammenbringen. Mit mehr als 55.000 Kunden ist der TIMOCOM Road Freight Marketplace eines der führenden Logistiknetzwerke für den Straßengüterverkehr in Europa.
Olga Polasik-Rüffer
Senior Marketing Communications Manager