Eine Europalette auf drei Rädern: FrachtRadler und die Zukunft der urbanen Logistik
FrachtRadler: Neue Impulse für die letzte Meile der urbanen Logistik
In diesem Interview erfahren Sie, wie das Unternehmen FrachtRadler aus Essen als wertvolle Ergänzung zum LKW-Transport fungiert. Lastenräder steigern die Effizienz des urbanen Lieferverkehrs, indem sie schwer erreichbare Bereiche bedienen. Gründer Roman Ebener erklärt, wie FrachtRadler anderen Unternehmen dabei hilft, CO2-Emissionen zu senken und logistischen Druck zu reduzieren.
Ganz normaler Transportalltag? Sie stecken als LKW-Fahrer im Stau und es geht einfach nicht voran. Währenddessen rollt ein Lastenrad, beladen mit einer Europalette frischer Lebensmittel, geschickt an Ihnen vorbei. Der perfekte Partner für die letzte Meile! Das ist es, was Roman Ebener mit der FrachtRadler GmbH auf den Straßen der Städte ermöglicht.
Hintergründe und Motivation
Was hat Sie dazu motiviert, das Dienstleistungsunternehmen FrachtRadler zu gründen?
Der Klimawandel und seine Folgen beschäftigt mich sehr. Ich hatte den Wunsch, einen aktiven Beitrag zu leisten, um bessere Lösungen zu finden. Zudem glaube ich fest daran, dass eine große Veränderung nur über die Wirtschaft selbst kommen kann. Der Verkehrssektor ist einer der Bereiche, in denen noch viel zu tun ist und in die neue Lösungen und Ideen eingebracht werden müssen. Ich hatte das Glück, dass ich in Hamburg gesehen habe, dass es schon Unternehmen gibt, die mit Lastenfahrrädern Logistik auf die Straße bringen. Und ich habe mich gefragt: Warum gibt es das in der Größenordnung eigentlich nicht im Ruhrgebiet? Wo doch eigentlich die Voraussetzungen gut sind – also viele Menschen auf engem Raum. Genau hier können Lastenräder ihre Vorteile ausspielen.
Mit dieser Überzeugung entstand die Idee, FrachtRadler zu gründen, um umweltfreundliche Lieferlösungen für städtische Räume zu bieten. Damit bin ich im Jahr 2024 hier in Essen gestartet.
Wie genau sah der Start aus? Welche Schritte muss man unternehmen, um so ein Unternehmen aufzubauen?
Ich wollte die Radlogistik auf die Straße bringen. Um das zu erreichen, war es wichtig, zunächst einen Einblick in die Radlogistikbranche zu gewinnen. Daher habe ich ein Jahr lang in einem Hamburger Unternehmen mitgearbeitet, um die praktischen Herausforderungen und Möglichkeiten besser zu verstehen. Nach unserem Umzug nach Essen habe ich damit begonnen, alles vorzubereiten: den Businessplan erstellen, Kapital für die ersten Lastenräder beschaffen und geeignete Räumlichkeiten suchen.
Der nächste Schritt war die Akquise von Kunden. Oft bin ich zu den potenziellen Kunden gefahren, um ihnen unsere Lösungen persönlich vorzustellen. Das Feedback war durchweg positiv. Viele Unternehmen hatten bereits Interesse an umweltfreundlichen Lieferungen, waren aber mit der Umsetzung überfordert. In unserem Angebot sahen sie eine praktische Lösung, weil wir die Logistik für sie übernehmen konnten. Heute liegt unser Fokus darauf, zuverlässig zu liefern und die Erwartungen unserer Kunden zu erfüllen. Eine Aufgabe, die dank meines großartigen Teams reibungslos funktioniert.
Auf der FrachtRadler-Website steht, dass Sie auch Fahrkurse anbieten. Was ist das Ziel dieser Kurse und warum sind sie für Ihr Team wichtig?
Auch wenn kein spezieller Führerschein erforderlich ist, müssen sich viele Fahrer:innen an das veränderte Fahrverhalten und das zusätzliche Gewicht gewöhnen. Mir ist es wichtig, dass alle Fahrer:innen sich immer ihrer Verantwortung bewusst sind und das Fahrzeug jederzeit sicher beherrschen. Die Kurse beinhalten praktische Übungen wie Kurven- und Engstellentrainings, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.
FrachtRadler Logistikprozess
Wie genau funktioniert Ihr Lieferservice mit Lastenrädern?
Der Auslieferungsprozess bei FrachtRadler orientiert sich konsequent am Kundenbedarf. Die meisten unserer Auslieferungen sind regelmäßige Touren, die wir jede Woche fahren. Die konkreten Stopps bekommen wir digital, sodass die Tour von uns für den Radverkehr optimiert werden kann. Bei freien Kapazitäten sind auch spontane Touren möglich.
Zielkunden und Aufträge
Wer sind Ihre Hauptkunden und welche Bedürfnisse haben diese im Hinblick auf städtische Lieferungen?
Für unseren größten Kunden fahren wir Biokisten, also frisches Obst und Gemüse, bis an die Wohnungstür der Endkunden. Da passt alles zusammen. Wir können insbesondere in den urbanen Stadtteilen mit den Rädern viel effektiver arbeiten: Sie brauchen weniger Platz zum Halten und können die Infrastruktur optimal nutzen und Staus umfahren. Und last but not least: Für die Kunden wird sichtbar, dass umweltfreundlicher Transport bis zur Haustür stattfindet. Zuverlässigkeit ist selbstverständlich. Darüber hinaus fahren wir für andere Kunden in der Regel gewerbliche Auslieferungen. Das kann auch schon einmal ein Großauftrag von einer Druckerei sein, bei dem die Druckerzeugnisse schnell zum Kunden müssen.
Gibt es Beispiele für Lieferungen, die eher ungewöhnlich waren?
Wir sind auch schon für eine Kindertagesstätte gefahren, die Umzugskartons brauchte. Die Kartons haben wir vom Träger der Einrichtung angeliefert. Das war eine schöne Erfahrung. Die Kinder standen mit großen Augen da und wollten alle mithelfen! Sie durften zu zweit die leeren Umzugskartons aus dem Fahrrad ausladen. So ging es zwar nicht unbedingt schneller, aber es war eine schöne Aktion, besonders weil man die Freude der Kinder deutlich spüren konnte. (lacht)
Wahrnehmung und Akzeptanz
Wie ist das allgemeine Feedback zum Lastenrad?
Ein großartiges Beispiel hierfür ist unsere Lieferung von Biokisten direkt an die Haustüren der Kunden. Diese Sichtbarkeit des umweltfreundlichen Transports kommt extrem gut an. Viele Kunden schätzen die positive Auswirkung auf die Umwelt und die Möglichkeit, ihren Teil zur CO2-Reduktion beizutragen.
Die Leute freuen sich, uns zu sehen und unsere Fahrer werden oft angesprochen. Sie sind positiv überrascht, wie effektiv und flexibel wir Lastenräder in der Stadt einsetzen können.
Gibt es auch Vorurteile oder Bedenken gegenüber der Radlogistik?
Die meisten sind grundsätzlich offen für Transporte mit Lastenrädern, sodass uns wenig Vorurteile begegnen, eher realistische Einschätzungen. Ich mache ein Preisangebot und die Unternehmen prüfen dann, ob es für sie tragbar ist. Tragbar bedeutet, dass ich nicht viel teurer sein darf als ihre aktuellen Lösungen. Wenn das zutrifft, ist es für sie positiv, da sie damit argumentieren können, dass sie eine nachhaltigere CO2-reduzierte Lösung auf den Weg bringen. Zudem erhalten sie kostenlose Werbung für ihr Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und reduzieren gleichzeitig ihren eigenen Aufwand.
Diese Wahrnehmung zeigt, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit umweltfreundlicher Transportlösungen wächst, auch wenn Lastenräder an anderer Stelle ihre Grenzen haben und keine LKW-Transporte ersetzen können.
Herausforderungen und Chancen der Radlogistik
Welche logistischen Herausforderungen haben Sie bei der Einführung Ihres Services in städtischen Gebieten erlebt?
Zunächst einmal muss ich sagen, dass Lastenräder eine Antwort auf viele logistische Herausforderungen sind: Sie senken den CO2-Ausstoß, brauchen weniger Platz und sind in urbanen Räumen flexibler. Aber selbstverständlich gibt es auch wichtige Aspekte zu beachten. Besonders entscheidend sind Gewicht und Tourenplanung. Durch die gesetzlichen Beschränkungen der Motorenleistungen müssen Steigungen passend geplant werden. Zudem sind Fahrradkarten nicht immer akkurat, so gibt es manchmal doch Treppen oder Sperren, die nicht mit Lastenrädern passiert werden können.
Sehen Sie eine Möglichkeit, wie LKW-Transporte und Lastenräder Hand in Hand arbeiten können? Welche Synergien könnten hier entstehen?
Ich sehe es als optimale Ergänzung. Während der LKW auf längeren Distanzen oder bei größeren Volumen seine Stärken ausspielt, kommt das Lastenrad für die effiziente und grüne Letzte Meile ins Spiel. Kombiniert mit unserem verkehrsgünstig gelegenen City-Hub übernehmen unsere Räder elegant all das, was für die LKW-Fahrer:innen nur Stress bedeutet. Da ein Rad eine Europalette fasst, können sogar bereits vorgepackte Paletten einfach verladen werden.
Derzeit bietet es sich an, mit Radlogistikern zusammenzuarbeiten, die bereits viel Erfahrung mit dem Einsatz von Lastenrädern haben. Eine gute Übersicht, in welchen Städten bereits Radlogistik im Einsatz ist, bietet die Karte der Radlogistik.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft von FrachtRadler?
Unser Traum ist es, zunächst die urbanen Räume des Ruhrgebiets zu erschließen. Wenn sich die Infrastruktur, etwa durch den Radschnellweg 1, weiterentwickelt, möchten wir auch diese Gebiete miteinander verbinden. Wir sehen großes Potenzial, unsere Dienste in verschiedenen Branchen anzubieten, sei es im Baustellenbedarf, bei Druckerzeugnissen oder im Catering.
Was wäre Ihre Wunschvorstellung für die Zukunft der Logistik?
Es ist klar, dass der Verkehr seinen CO2-Ausstoß reduzieren muss. Immer mehr Städte werden zum Wohle der Bevölkerung Einschränkungen für den Autoverkehr einführen. Moderne City-Logistik rückt hier in den Vordergrund: mit kleineren Fahrzeugen, Lastenrädern, wo immer es möglich ist, und City-Hubs zur Feinverteilung. All das sind Schritte hin zu umweltfreundlicheren Städten. Das Beste daran: Diese Veränderungen sind heute schon umsetzbar und keine Zukunftsvision mehr. Ich möchte andere Unternehmen der Logistikbranche ermutigen, ähnliche nachhaltige Lösungen zu berücksichtigen und aktiv an der Gestaltung lebenswerter Städte mitzuarbeiten.
Warum wir über Logistik schreiben? Weil wir seit über 25 Jahren Fracht und Laderaum zusammenbringen. Mit mehr als 55.000 Kunden ist der TIMOCOM Road Freight Marketplace eines der führenden Logistiknetzwerke für den Straßengüterverkehr in Europa.
Olga Polasik-Rüffer
Senior Marketing Communications Manager